Eine Fehldiagnose hätte beinahe dazu geführt, dass ein gesundes Auge entfernt worden wäre
Symptom: einseitige Dysfunktion der Iris
Vor ca. 14 Tagen bemerkten wir bei unserem 10 jährigen Whippetrüden Moony eine einseitige Fehlfunktion der Iris. Das linke Auge blieb unabhängig vom Lichteinfall weit geöffnet, das rechte hingegen funktionierte einwandfrei.
Eine solche Konstellation ist zunächst einmal ein Alarmzeichen, der Verdacht auf einen Schlaganfall sollte jedem sofort kommen. Moony zeigte aber keinerlei weitere Ausfallerscheinungen, so dass notfallmäßige Aktionen nicht erforderlich waren.
Kurzfristig wurde aber ein Termin in einer Tierklinik gemacht, die insbesondere auch auf Augenbehandlungen spezialisiert ist.
Diagnose: Irismelanom
Nach einer schnellen Untersuchung wurde eine Verfärbung am unteren rechten Irisrand festgestellt (s. Abbildung 1).
Abbildung 1
Diagnose der Tierklinik: ein Irismelanom, welches die Funktionalität der Iris einschränkt. Mittels Augentropfen wurde versucht, die Pupille eng zu stellen, was zu einer sehr merkwürdigen, sanduhrförmigen Pupille mit stark ausgefransten Rändern führte. Obwohl die Iris im Bereich des Melanoms kontrahierte, wurde diese nicht größer! Auf mehrfache Nachfrage hin wurde uns die Diagnose als gesichert bestätigt. Als Differentialdiagnose wurde eine Zyste ausgeschlossen, da diese kugelförmig sind und sich von der Iris deutlich abheben.
Therapie: Entfernung des Auges
Melanome, so die Auskunft der Tierklinik seien fast immer bösartig, eine Entfernung des Auges sei i.d.R. unumgänglich. Dieses würde auch in der Humanmedizin so durchgeführt werden, eine alternative Behandlungsmöglichkeit sei nicht gegeben.
Wir sollten in vier Wochen zur Kontrolle wiederkommen, würde das Melanom wachsen, müsse das Auge umgehend entfernt werden.
Eigene Recherchen
Eigene Recherchen unsererseits schienen zunächst die Diagnose zu bestätigen. Allerdings blieben ein paar Fragen offen:
- Warum änderte sich das Melanom nicht, als die Iris mittels Augentropfen kontrahiert wurde?
- Was sind das für Fransen und Faden am Rand der Iris? (s. Abbildung 2)
- Eine Möglichkeit der Behandlung von Irismelanomen mittels Laser (Quelle: 3.) wurde nicht erwähnt
- Ein Irismelanom metastasieren bei Hunden im Gegensatz zu Katzen scheinbar nur selten (Quelle: 2.). Warum muss das Auge dann kurzfristig entfernt werden?
Abbildung 2
Zweite Meinung
Schnell war uns klar, dass wir eine zweite Meinung benötigen. Über Bekannte wurde ein Kontakt zu einer Tierärztin in Bonn hergestellt, die sich ausschließlich mit Augenkrankheiten bei Tieren beschäftigt.
Die zweite Diagnose: zwei unabhängige Erkrankungen
Allein der erste Blick der Spezialistin ließ an der ursprünglichen Diagnose zweifeln.
Eine eingehende und detaillierte Untersuchung der Iris und des Augenwinkels brachte dann eine Erklärung, welche alle offenen Fragen erklärte und für uns logisch und nachvollziehbar war.
Die Verfärbung gemäß Abb.1 befindet sich nicht auf der Iris, sondern am Innenrand der Hornhaut. Damit ist ein Irismelanom ausgeschlossen. Dieses erklärt auch die statische Größe der Verfärbung bei einer Veränderung der Iris. Es handelt sich dabei um die leere Hülle einer ehemaligen Iriszyste, die sich dort abgelagert hat.
Die Dysfunktion der Iris ist auf eine Irisatrophie zurückzuführen. Die Muskeln der Iris bilden sich zurück, was die Fransen am Irisrand erklärt. Der feine Faden in Abb.2 ist der Rest einer Muskelfaser der Iris.
Sowohl Iriszysten und deren Überbleibsel als auch Irisatrophien sind bei älteren Hunden sehr verbreitet, an sich aber harmlos. Eine Therapie oder sogar ein operativer Eingriff sind nicht notwendig.
Fazit und Empfehlung
Die Fehldiagnose eines Irismelanoms hätte beinahe dazu geführt, dass ein gesundes Auge entfernt worden wäre.
Da eine Iriszyste als Ursache der Fehldiagnose weit verbreitet ist, sollte diese bei Verdacht auf ein Irismelanom in jedem Fall eindeutig differentialdiagnostisch abgegrenzt werden.
Danksagung
Unser Dank geht an die Tierärztin Fr. Dr. Hertslet in Bonn, die mit viel Geduld und Kompetenz die Diagnose erstellt und uns umfangreich aufgeklärt hat.
JB
- www.tieraugenheilkunde-bonn.de
- www.tieraugen.at/augeninfo-erkrankungen-regenbogenhaut.htm
- Walde, Nell, Schäffer, Köstlin: Augenheilkunde, Lehrbuch und Atlas S. 310
- www.gesundehunde.com